Interview Heimat im Blick mit Nina Riewe

Martina Pfeifer Steiner · 06 · 11 · 13

Im Schuljahr 12/13 widmet sich Unit Architektur in 10 Units in 10 Orten - einem Thema: HEIMAT Vorarlberg. Die einzelnen Units sind so unterschiedlich wie die Orte und die Beteiligten. Der große Bogen ist die städtebauliche Betrachtungsweise von Vorarlberg. Der jugendliche Blick auf Baukultur in Vorarlberg soll nicht nur mit den erarbeiteten Tools geschärft werden, sondern vor allem ein Spiegelbild sein, auch für die politisch Verantwortlichen, eine Reflexion der jungen BürgerInnen.

Verena Konrad »Für das vai ist Unit Architektur zurzeit das zentrale Architekturvermittlungsprojekt, weil wir damit eine Zielgruppe erreichen, die extrem wichtig ist: SchülerInnen und Jugendliche, die wir als die Bauherren von morgen begreifen. Mir ist es ein Anliegen, dass im Rahmen von Unit Architektur Jugendliche die Möglichkeit haben eine Sprache zu entwickeln, die es ihnen ermöglicht, sich über baukulturelle Prozesse miteinander auszutauschen. Wir gehen als vai ganz bewusst an Schulen, wissend, dass wir nur dann einen Zugang zu den Jugendlichen bekommen, wenn wir das mit den LehrerInnen koordinieren und gleichzeitig die Expertise nützen. Beeindruckt und gefreut haben mich die Ergebnisse der Units und ich habe großes Vertrauen, dass es in dieser Weise weiterlaufen wird.«

Martina Pfeifer Steiner »Was ist öffentlicher Raum, wo fängt er an und wo hört er auf? Und was sind Freiräume? Im Rahmen der Unit „public space“ ging man in Dornbirn diesen Fragen auf den Grund. Mit der partizipativen Methode „planning for real“ wurden in unterschiedlichen Rollen (PensionistInnen, Kinder etc.) Anforderungen und Wünsche an den öffentlichen Raum gestellt, im April dann Streifzüge durch den öffentlichen Raum unternommen und Lieblingsplätze dokumentiert. Schlussendlich entstanden Postkarten, mit Key Words versehen, und Filme über den öffentlichen Raum.«

Barbara Liebhart (Pädagogin) »Eine wichtige Erkenntnis in dieser Unit war, dass Architektur nicht nur aus Gebäuden besteht, sondern dass auch Straßen, Plätze, Wege dazugehören und dass man diese genauso gestalten kann. Die SchülerInnen haben ihre Wahrnehmung geschärft, was den Unterschied privat/ öffentlich anbelangt.«

Nicoletta Piersantelli (Vermittlerin) »Es gab auch viele Diskussionen über Gastgärten und Kaufhäuser. Sind das noch öffentliche Räume wenn der Aufenthalt darin mit Konsum verbunden ist?Öffentlicher Raum war für die SchülerInnen anfangs ein sehr abstrakter Begriff. Am Ende der Unit jedoch war klar, was ein öffentlicher Raum ist und auch der Unterschied zwischen öffentlichem Raum und Freiraum. Interessant war auch die gesetzliche Lage in öffentlichen Räumen in Österreich und in anderen Ländern bewusst zu machen. In Österreich darf man beispielsweise nicht auf einer Bank liegen, in Frankreich sich nicht in der Öffentlichkeit küssen.«

Martina Pfeifer Steiner »Beim ArchiDate in Bregenz trafen SchülerInnen die Architekten Lang Schwärzler, erfuhren mehr über den Planungsprozess und erforschten Gebäude des Architektenduos in Eigenregie. Es wurde recherchiert, fotografiert und diskutiert.«

Aglaia Lang (Pädagogin und Vermittlerin) »Die SchülerInnen sollten die Architekten wirklich hautnah erleben. Dadurch, dass sie zuerst die Gebäude ohne zusätzliche Information besichtigt hatten, haben sie dann im Büro die Relevanz eines Architekturmodells begriffen. Durch die selbstständige Annäherung an das Gebäude lernten sie Pläne zu lesen und kommten zum ersten Mal Büroatmosphäre schnuppern. Bei der Abschlusspräsentation ging es darum, nicht nur Bilder zu zeigen, sondern sich in die Räume hineinzudenken und diese aktiv zu versprachlichen.«

Martina Pfeifer Steiner »Der Status quo der Heimatstadt Bregenz wurde weiters mit alten Ansichten der Stadt verglichen. In der Unit „Zeitsprung“ erhielten SchülerInnen alte Fotos der Stadt Bregenz und glichen diese mit dem Ist-Zustand der Stadt ab. Digital wurden die alten und neu entstandenen Bilder collagiert und übermalt. Entstanden sind Bregenzpostkarten, bei denen die Grenzen zwischen Alt und Neu verschwimmen.«

Aglaia Lang »Wichtig war, das die SchülerInnen verstehen, dass Architektur nicht etwas ist, dass unverrückbar ist sondern sich ständig in einem Prozess befindet. Außerdem ist es sinnvoll, sich die Historie der Stadt, in der man lebt bewusst zu machen. Das ist für die aktive Wahrnehmung der Heimat ganz wichtig.«

Martina Pfeifer Steiner »In ihrer Heimatstadt Bludenz begaben sich die SchülerInnen auf städtebauliche Spurensuche. In Gruppen wurde die Geschichte der Einwanderung der Gastarbeiter und die dadurch entstandenen Siedlungen aufgearbeitet, sowie die Versuche einer Stadterweiterung in Bludenz dargestellt.«

Wolfgang Maurer (Padagoge) »Mit seiner Einführung über topographische Voraussetzungen und markante städtische Merkmale in Bludenz hat Bruno Spagolla den Schülerinnen quasi neue Augen eingesetzt, für gewisse architektonische und auch städtische Eigenarten. In Gruppen haben sie sich anschließend mit der ´Grammatik der Stadt` beschäftigt. Beispielsweise die sehr einfachen, klaren Klarenbrunnstraßenhäuser, die in Eigenregie gebaut worden sind, alle mit dem gleichen Grundriss, haben ihnen den Blick für die eigene, privilegierte Wohnsituation gegeben.«

Martina Pfeifer Steiner »Ausgehend vom Neubau des Heimatmuseums in Schruns - und den massiven Bürgerprotesten - wurden Interviews mit den BewohnerInnen geführt. Das setzte natürlich eine intensive Auseinandersetzung mit der Medienberichterstattung und dem journalistischen Instruments des Interviews voraus.«

Ursula Ender (Vermittlerin) »Der Aufhänger war die Präsenz des Heimatmuseums in den Medien und die hauptsächlich negative Berichterstattung über den Neubau. Gemeinsam wurde dann über das Thema recherchiert und über Körper und Formensprache diskutiert. Oberfläche ist dort- mit dem Sichtbeton- ein ganz großes Thema in dem alten städtischen Kontext. Durch diese Diskussionen hat sich ihr Vokabular geschärft«

Barbara Winkler (Pädagogin) »In Schruns, Ende Mai, bei strömendem Regen, sind die Interviews dann durchgeführt worden. Die insgesamt 25 Interviews wurden sehr ausführlich beantwortet.«

Ursula Ender »Bei der Besichtigung des Heimatmuseums wurde uns der allerneueste Entwurf für das Heimatmuseum präsentiert. Und da hab ich das Gefühl bekommen, sie entwickeln eine eigene Haltung in diesem Diskurs.«

Martina Pfeifer Steiner »Wie wird in einem Presseartikel argumentiert? Wie können Schlagzeilen typographisch gestaltet werden? Und vor allem: Wie manipulativ sind Medien? Damit beschäftigten sich SchülerInnen im Rahmen der Unit Medienmanipulation vor dem inhaltlichen Hintergrund des geplanten Neubaus des Heimatmuseums in Schruns.«

Barbara Winkler (Pädagogin) »Mit der Geschichte zur Abstimmung zum Schruns-Neubau und der Berichterstattung im Vor- und Nachfeld haben sich die SchülerInnen intensiv befasst. Presseartikel wurden auf ihre Argumentation hin untersucht und Argumentationslinien vom negativen ins positive gekehrt. Das war eine Herausforderung. Aber durch das Projekt wird jetzt jede Schlagzeile anders gelesen.“«

Ursula Ender (Vermittlerin): »Um dann noch ein kreatives Moment hineinzubringen, wurde ein Statement aus dem Kontext mit unterschiedlichen typgraphischen Elementen gestaltet. Das war ganz spannend. Da gab es zum Beispiel Playmobil-Landschaften, die einen Schriftzug darstellten oder SchülerInnen die sich in die Wiese gelegt und so einzelne Buchstaben nachgestellt haben.«

Martina Pfeifer Steiner »Auf zwei Ebenen wurde sich in der Unit Gedächtnisspeicher der Thematik genähert. Zum einen durch die Recherche von unterschiedlichen Gedächtnisspeichern und Speichermedien und zum anderen durch den persönlichen Zugang, indem zuhause ein Objekt gesucht wurde, dass Identität prägt und speichernswert ist.«

Ursula Ender (Vermittlerin) »Nachgedacht wurde über Tradition, Gedächtnisformen und darüber, wie Erinnerungen erhalten werden können. Diskutiert wurde: Wie lange sind diese Speichermedien haltbar? Wie müssen sie gelagert werden? Und was können sie überhaupt übermitteln? Text, Bild und/oder Ton? Durch die Objektsuche im Heimatmuseum und zuhause fand die Kontextualisierung im Kulturraum Montafon statt. Das ist, wie wenn ich einen Stein ins Wasser werfe und im größten Radius ist es eben eine Region, zu der ich mich bekenne oder eben nicht.«

Martina Pfeifer Steiner »In Hohenems wird „Heimat“ mit Lehrlingen als vielfältiger, räumlicher Begriff und persönlicher Bezugspunkt reflektiert. Durch den Austausch der Perspektiven unter den Schülern in der Unit „Heimat - meine deine unsere" beginnt eine neue Sicht- und Erlebnismöglichkeit. Man lässt sich auf den Heimatblick des anderen ein, sowie auf das, was dadurch bei einem selbst an Assoziationen ausgelöst wird.«

Catharina Fineder (Vermittlerin) »Mein Hintergedanke war, dass man was macht, sich in einen anderen Blickwinkel hineinversetzt und auch versteht, dass es interessant sein kann, diesen anderen Blickwinkel zu reflektieren. Die Lehrlinge haben Heimat immer mit Aktivitäten verbunden und mir erklärt, dass Heimat für sie ein Ort ist, wo man etwas tun kann, was man gerne mag oder gut kann. Sehr viel Spaß hat ihnen vor allem das Modellbauen gemacht. Da sind die wildesten Sachen entstanden. Interessant war, dass die Jüngeren gleich am Anfang Teams gebildet und sich abgesprochen haben, während bei den älteren jeder eher für sich gebaut hat.«

Martina Pfeifer Steiner »„Wo bist du meine Heimat“ fragt die Unit im Bregenzerwald. Die Wahrnehmung von Heimat, sowie der Kontext einer räumlichen Verortung interessiert. Die SchülerInnen reflektierten vorerst nur mittels visueller und textlicher Mittel ihren persönlichen Heimatbezug. Nachzulesen auf dem Blog „heim.at“ hier auf Unit Architektur. Im zweiten Schritt wurde ein Ort im Bregenzerwald gesucht, mit Gegenständen verfremdet und durch diese Intervention zum Heimatort gemacht. Die Aktionen waren öffentlich und wurden filmisch dokumentiert.«

Georg Bechter (Vermittler) »Das Projekt wurde in der Schule zwar begleitet, die Aktionen selbst wurden aber von den Schülern an verschiedenen Orten, alleine durchgeführt. Das war ihnen freigestellt, auch zeitlich. Auf einem Waldgrundstück wurde zum Beispiel eine Wäscheleine gespannt und behängt. Durch diese unerwartete Intervention, hat das Ganze auf einmal einen Raum bekommen und einer Art bewohnter Wohnstätte geglichen. Die SchülerInnen haben sich sehr gut mit dem Projekt auseinandergesetzt, wie man ja auch auf dem Blog sehen kann. Es gab niemanden, der das nur als Aufgabe gesehen hat.«


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